Mit dem TramSim München (Eigenschreibweise “Munich”) ist am 4. November der zweite Straßenbahnsimulator von ViewApp und Aerosoft erschienen und führt uns, wie man schon vermuten mag, in die bayerische Landeshauptstadt. Wir bedanken uns bei Aerosoft für die Bereitstellung des Simulators und für die Möglichkeit, ein Interview führen zu können. Ein Beitrag von Mika und Florian.

Die Linien

Anders als in Wien bietet sich in München die Auswahl zwischen drei verschiedenen Linien, wenngleich der Umfang der einzelnen Linien kleiner ist, als in Wien.

Die Linien 27 und 28 gehören betrieblich zusammen. Sie starten im Simulator am U-Bahnhof Sendlinger Tor, wo wendende Straßenbahnen auf die jeweils andere Linie wechseln und führen über den Karlsplatz (Stachus) und die Pinakotheken nach Norden. Am Kurfürstenplatz teilen sich die Linien auf, um drei (28) beziehungsweise sechs (27) Stationen allein weiter zu ihrem Ziel zu fahren. Auf dem gemeinsamen Abschnitt teilen sich 27 und 28 die Strecke weitgehend mit dem Autoverkehr, während sie auf ihren eigenen Abschnitten vorwiegend auf einer separaten Rasengleistrasse verkehren. Beide Linien werden in ca 20-25 Minuten absolviert, wobei zu beachten ist, dass im Spiel ungefähr der Stand des Jahres 2018 dargestellt wird. Mittlerweile ist die 27 praktisch doppelt so lang, fährt nach Überquerung der Isar über das Maxmonument in Richtung Nordosten, was im Spiel jedoch leider nicht befahrbar ist.

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Eine besondere Stellung im Münchener Netz besitzt die Exklavenlinie 23. Sie ist mit gerade einmal 9 Minuten Fahrzeit die mit Abstand kürzeste Linie und besitzt auch keinen Anschluss  an andere Straßenbahnlinien. Lediglich über eine Betriebsstrecke kann der Scheidplatz, der nördliche Endpunkt der Linie 28, erreicht werden. Die Linie 23 kommt auf ihrer Strecke zudem auch dem Straßenverkehr praktisch nicht in die Quere, sondern ist ähnlich einer Stadtbahn getrennt geführt.

Beide Linien sind realistisch umgesetzt. Alle Stellen, an denen wir mit Fotos aus der Realität verglichen haben, konnten mit realistischen Häusern punkten. Bei den Rasengleisabschnitten besteht noch etwas nacharbeitungsbedarf, auch fielen an einer Stelle physikalisch unmöglich befestigte Oberleitungskabel unrealistisch auf, hierbei handelt es sich jedoch um Kleinigkeiten, über die man beim Spielen problemlos hinwegsehen kann. Wer die Linien in der Realität kennt, wird sicher einiges wiedererkennen.

Das Fahrzeug

Als fahrbarer Untersatz wird der Münchener Fahrzeugtyp R2.2b mitgeliefert, welcher  insofern eine realistische Wahl für die dargestellten Linien ist, als dass er auch der vorwiegende Straßenbahntyp ist, der dort verkehrt. Hierbei handelt es sich um ein Fahrzeug des deutschlandweit verbreiteten Typs GT6N. Verwandte Fahrzeuge sind unter anderem in Berlin, Augsburg, Mainz und Bremen anzutreffen, fuhren aber auch schon im Ausland, zum Beispiel Norrköping in Schweden. Das bedeutet in München daraufhin, dass es sich um ein modernisiertes Fahrzeug handelt. So wurden hier LED-Scheinwerfer, neue Türen und ein schickerer Innenraum verbaut. In der Realität fahren in München auch nach wie vor unmodernisierte Fahrzeuge, welche ihr im Simulator jedoch nicht antreffen werdet.

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Die Umsetzung des Fahrzeugs ist durchweg gut gelungen. Dies fängt bei der realistischen Umsetzung der Sounds an und führt weiter zu Details wie der Türanimation, bei der die Türen realitätsgetreu ein wenig wackeln, bevor sie die Öffnungsposition erreicht haben. Der R2.2b besitzt ein weitaus stärkeres Beschleunigungsvermögen als die Wiener Trams, inwiefern dies realistisch ist, konnten wir zwar nicht prüfen, was jedoch sehr gut getroffen wurde ist das etwas eigenartige Kurvenverhalten dieses Zugtyps, welcher dazu neigt, beim schnellen Durchfahren einer Kurve hin und her zu schlingern.

Ebenfalls realistisch sind die Haltestellenansagen und die schrille Melodie mit Ohrwurmpotential, welche an der Endhaltestelle erklingt.

Wie viel München steckt in München?

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Seit den Wien-Addons für den Bussimulator OMSI2, in welchen es eigentlich nur durch Vororte und das Umland ging, begleitet immer eine gewisse Skepsis neue Simulatoren, welche mit einem Stadtnamen werben. Es ist also an der Zeit, einmal den Realitätscheck anzusetzen, wer könnte hier etwas wiedererkennen? Jeder, der schon einmal im München war oder nur die eingefleischten Einwohner?

Im Gegensatz zum Wiener TramSim führen die Münchener Linien euch nicht mitten durchs Touristengebiet, dies ist in München anderen Tramlinien, welche von Osten nach Westen verkehren, vorbehalten.  Wiedererkennungspotential gibt es somit praktisch nur am Karlsplatz im Herzen von München und am Gebiet der Kunstsammlungen um die Pinakotheken, wenn man sich denn dafür interessiert. Den Rest der Karte wird nur kennen, wer dort wohnt, arbeitet, oder sonst einen verdammt guten Grund hat, dort hinzufahren. Es geht vorwiegend durch “langweilige” Wohnhäuser. Das tut dem Spielspaß keinen Abbruch, disqualifiziert den TramSim jedoch freilich für solche, die Erinnerungen an ihre Reise nach München wieder hervorrufen wollen.

Gameplay und was sonst noch neu ist

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Ganz egal, wie viel Zeit ihr habt, im TramSim München ist immer was dabei. Mit nur 9 Minuten Fahrzeit kann schnell mal eine Runde auf der Linie 23 eingeschoben werden. Auf längeren Fahrten können die 27 und 28 in 25-Minuten-Häppchen angenehm dosiert werden. Durch den Linienwechsel am Sendlinger Tor herrscht auch dahin gehend etwas Abwechslung und auch die Betriebsstrecke ist befahrbar, wenn man zwischen der 28 und der 23 wechseln möchte.

Die wohl am stärksten beworbene Neuheit gegenüber Wien ist ein Fahrgast in einem elektrischen Rollstuhl, welcher durch das Absenken einer Hebebühne in die Straßenbahn geladen werden kann. Besonders ausgereift ist dieser aktuell jedoch noch nicht, denn er erscheint entweder an der ersten Haltestelle, nachdem man das Spiel gestartet hat, oder gar  nicht. Im Verlauf der Reise tauchen keine weiteren Rollstuhlfahrer auf.

Eine weitere Neuerung ist die Möglichkeit, nun auch die Jahreszeit Herbst (mit orangenen Bäumen) und verschiedene Wetterlagen von  Regen über Nebel und Schnee zu einem ausgewachsenen Gewitter einzustellen. Zudem kann ein langsamer Wechsel zwischen verschiedenen Wetterlagen konfiguriert, oder das aktuelle Wetter aus einer Stadt der Wahl automatisch abgerufen werden.

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Natürlich kann auch bei Nacht gefahren werden. Hier wird es für eine Großstadt bisweilen jedoch ziemlich dunkel bei  sehr hellem Sternenhimmel. Aber hey, dadurch wirken die großen Ampelanlagen an Kreuzungen der Straßenbahn noch viel imposanter

Als kleines Bonushäppchen können Besitzer des Wiener TramSim auch mit den Fahrzeugen aus Wien durch München fahren. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass diese Funktionen wie Scheibenwischer für den Regen und die Rollstuhlfahrer noch nicht richtig unterstützen, insofern ist hier noch mit einigen Problemen zu rechnen wie in unserem Test einem etwas merkwürdig angebrachten Seitenspiegel

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Das Interview – Fragen an ViewApp

Freundlicherweise hat uns ViewApp angeboten, in einem Interview auch noch einige Fragen zum TramSim München zu stellen. Unser Moderator Florian hat sich mit Daniel von ViewApp zusammengesetzt, hier ist eine Zusammenfassung:

Was waren die größten Herausforderungen bei der Umsetzung von München im Simulator?

Es gab ganz ganz viele verschiedene Herausforderungen. Die Größte gleich zu Anfang war die Notwendigkeit der Recherche vor Ort, wofür über Zehntausend Fotoaufnahmen gemacht wurden. Dabei wurden über 300 verschiedene Gebäude erfasst, die Strecken und Fahrzeuge gefilmt und Soundaufnahmen gemacht.
 

Welche Hauptunterschiede gibt es zwischen dem Wiener und dem Münchener Fahrbetrieb?

Gar nicht so viele, wie man vielleicht vermuten würde. Es ist im wesentlichen sehr ähnlich, die Unterschiede liegen vor allem in Details wie den Signalanlagen. Die Bedeutungen der Signale sind im großen und ganzen die selben, die Darstellung jedoch unterschiedlich. Die Hauptunterschiede liegen somit in den Fahrzeugen und der Münchener R2.2b unterscheidet sich wesentlich von den Wiener Fahrzeugen (Anmerkung der Red.: Beispielsweise in der Ansteuerung der Weichen und in der Türsteuerung)
 

Kann man weitere kostenfreie Inhalte in München erwarten, wie in Wien Beispielsweise den Fahrzeugtyp E2 oder die neue Linie?

Zum aktuellen Zeitpunkt geben wir noch keine Informationen heraus, was für München bezüglich weiterer Inhalte geplant ist. Fakt ist jedoch, dass hier kein einzelnes Fahrzeug zu erwarten ist sondern in erster Linie eine kostenfreie Überarbeitung der Karte mit wesentlich mehr Details in den nächsten Wochen angedacht ist.
 

Wie wurde die Auswahl für die Linien in München, vor allem die neuere und deutlich kürzere Linie 23, getroffen?

Von der Community kam das Feedback, dass eine Auswahl mehrerer Linien gewünscht ist. Wenn ein Projekt umgesetzt wird, ist dieses immer sehr real, sodass auch auf die realen Linienverläufe entsprechend Rücksicht genommen werden muss. Die Linien 27 und 28 sind sehr schöne Linien, die Mitten durch die Altstadt und das Zentrum von München führen und sind somit gut passende Kandidaten. Die Linie 23 wurde als kürzere Linie hinzugenommen, da sie mit ihrem separaten Gleiskörper und der Naturnähe einen kompletten Kontrast zu den Linien 27 und 28 bietet. Durch ihre kurze Länge ist sie auch super geeignet, um am Feierabend einfach mal einen Umlauf zu fahren, ohne dafür zu viel Zeit aufzuwenden. Insofern gilt bei München: “Die Mischung macht’s”
 

Wie wichtig ist das Feedback der Community?

Das Feedback wird sehr ernst und gerne an. Schon für den Wiener TramSim wurde stets viel mit der Community interagiert und auch die ein oder andere Entscheidung auf Basis von Meinungen der Community getroffen und angepasst und das wird auch weiterhin der Fall sein um ein Produkt für die Community zu entwickeln.
 

Wird es auch für andere Entwickler möglich sein, Maps für TramSim zu entwickeln? Ist da schon etwas in Planung?

In dieser Richtung gibt es schon einige Ideen. Direkt vorweggenommen werden kann, dass eine einfache Erstellung für Jedermann nicht möglich sein kann, da der Bau einer ansprechenden Strecke viele Objekte und damit verbunden Aufwand erfordert, um das grafische Niveau vom heutigen Stand von TramSim zu erreichen. Deswegen wird ein öffentlicher Zugang zu Modding-Tools für jedermann nicht zur Verfügung gestellt, mit ausgewählten First-Party-Entwicklern wird man jedoch einige Projekte umsetzen.

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